Weitaus mehr lebende Besucher als tote Merowinger
Erste Grabungsführung im Insheimer Gräberfeld zog viele Interessierte an
Zahlreiche Einwohner von Insheim hatten bereits in den vergangenen drei Monaten mit viel Interesse die Grabungsarbeiten begleitet umso mehr freute es das Ausgrabungsteam um Grabungsleiter Dr. Sebastian Traunmüller und die wissenschaftliche Leiterin von der Landesarchäologie Speyer, Dr. Andrea Zeeb-Lanz, dass zur ersten "offiziellen" Führung über die Grabung mehr als 200 Interessierte erschienen. Angesichts der heißen Temperaturen hatte man von Seiten des Grabungsteams nicht unbedingt damit gerechnet, dass so viele Bürger von Insheim, aber auch zahlreiche Interessierte von außerhalb, den Feierabend in Freibad oder Garten mit einem Aufenthalt auf der staubigen Grabungsfläche vertauschen würden.
Bereits einige Zeit vor dem offiziellen Start der Führung um 18.30 Uhr war absehbar, dass man sich die Grabung in mehreren Gruppen würde ansehen müssen, der Treffpunkt am Grabungsbüro war schnell überfüllt, so dass die ersten Neugierigen bereits auf die Grabungsfläche ausschwärmten. Auch die Medien waren schon früh mit einem Reporter vom SWR-Hörfunk, einer Reporterin der Rheinpfalz sowie dem zugehörigen Kameramann gut vertreten, intensivere Gespräche mit der Presse wurden direkt einvernehmlich auf das Ende der Führung verlegt, da sowohl die wissenschaftliche Grabungsleiterin, Dr. Andrea Zeeb-Lanz, als auch der örtliche Grabungsleiter, Dr. Sebastian Traunmüller, sein Grabungsassistent, Frank Krämer sowie alle übrigen Mitglieder des Grabungsteams sich vor und während der Führungen einem Ansturm von Fragen seitens der Besucher ausgesetzt sahen. Die rege Anteilnahme an den Grabungsarbeiten und deren Ergebnissen waren für die Ausgräber natürlich ein sehr positives Echo auf ihre seit Anfang Mai durchgeführten intensiven Ausgrabungsarbeiten.
Zeeb-Lanz, die sich zu Beginn der Grabung strategisch auf einem Erdhügel postiert hatte, um für die große Zuhörerschaft auch akustisch bis in die letzte Reihe erreichbar zu sein, zog ein kurzes Résüme der bisherigen Arbeiten. Hervorzuheben sei, so die wissenschaftliche Leiterin der Grabung, dass die hervorragende Kommunikation zwischen Baufirmen und Grabungsleitung vor Ort dazu geführt habe, dass bislang tatsächlich nur insgesamt 1,5 Tage Zeitverlust für die Bauarbeiten zu beklagen seien. Die bisherigen Ergebnisse sind in vieler Hinsicht sehr aufschlussreich für die Lebensgewohnheiten und den Totenkult der frühen Insheimer. Zwar finden sich immer wieder beraubte Gräber, aber immerhin wurden bereits zwei Schwertträger freigelegt, deren Waffen auch im Grab verblieben waren. Daneben gibt es bereits eine interessante Ausbeute an Beigaben wie Kämme aus Tierknochen, Halsketten aus mit bunten Fäden verzierten Glasperlen und einige fein verzierte und ganz erhaltene Gefäße.
Die auf drei Gruppen verteilten Besucher besichtigten nach der Einführung im Wechsel verschiedene der fränkischen Grablegen, zu denen die Ausgräber jeweils detaillierte Erläuterungen geben konnten. Das Grabungsteam hatte in den Tagen vor der Führung besonderes Augenmerk auf die Frage gerichtet: "Was könnte für die Führung interessant sein und können wir es so lange konservieren?". Als Ergebnis dieser umsichtigen Planung konnten die Ausgräber mehrere spannende Befunde präsentieren und hatten zusätzlich an den Rändern der Grabgruben jeweils noch Tische mit Bildern der verschiedenen Stadien der Ausgrabungsarbeiten postiert.
Neben einem säuberlich freipräparierten Skelett eines Franken, dessen Grabruhe nicht gestört worden war (was sich an der anatomisch korrekten Lage der einzelnen Knochen gut ablesen ließ), waren u.a. auch die von Pflanzen stark zerstörten Reste eines weiteren, direkt daneben, aber tiefer liegenden Skeletts zu besichtigen, die einen guten Eindruck davon vermittelten, wie wenig Knochenmaterial in den Gräbern insgesamt übrig geblieben wäre, wenn es sich in Insheim nicht um stark kalkhaltigen Boden handeln würde: Pflanzen benötigen für ihre Ernährung Kalk, den sie sich, wenn er nicht von vorneherein gelöst im Erdreich vorhanden ist, zur Not auch aus im Boden vergrabenen Skeletten holen - Knochen bestehen zu 99 % aus Kalk.
Besonders beeindruckend - und wirklich als spektakulärer Befund zu bezeichnen - waren die Überreste einer großen Grabkammer. Durch einen glücklichen Zufall, bzw. besondere Bodenverhältnisse an der Stelle der Grabkammer, wurden hier die hölzernen Grabeinbauten von dicken Kalkschichten sozusagen abgebildet. Der Kalk hatte sich im Laufe der Zeit an den Holzplanken der Grabkammer abgelagert und verdichtet. Während das Holz nach bestimmter Zeit verfiel und sich in Humusboden umwandelte, blieben die Kalkschichten stehen. Sobald die Ausgräber den Sachverhalt erkannt hatten, wurde von Grabungsleiter Traunmüller die Weisung ausgegeben: "Alle Mann an diesen Befund und alle Kalkkonzentrationen sehr vorsichtig freipräparieren". Hier war dann für längere Zeit der umsichtige Einsatz von Kleinstwerkzeug gefordert und viel Feingefühl. Wieder einmal zeigte es sich, dass alle Mitglieder des Grabungsteams erfahrene und gute Feldarchäologen sind. Im Ergebnis ihrer akribischen Arbeit ergab der Befund ein höchst aufschlussreiches und beeindruckendes Bild der Konstruktion der ehemaligen Grabkammer. Erstaunlicherweise hatte diese eine doppelte Wand aus Holzplanken besessen, wobei zwischen den beiden Wänden ein Abstand von ca. 20 cm belassen worden war - der Grund hierfür ist bislang nicht ersichtlich. Ebenso rätselhaft bleibt ein kleiner rechteckiger Anbau im Osten der Kammer. In der beraubten Grabkammer hatten die Grabräuber - Glück für die Archäologen - neben einer zerdrückten großen Bronzeschale auch zwei gänzlich erhaltene Tongefäße übersehen oder nicht mitnehmen wollen.
Trotz des "Notcharakters" des Grabungsprojektes ist es immer wieder sinnvoll und wichtig, bestimmten Befunden doch eine längerfristige Aufmerksamkeit zu widmen das wurde sicherlich bei der Führung angesichts der Ergebnisse auch allen Besuchern einsichtig. Dafür werden einfache Gräber in der Regel umso zügiger ausgegraben, dennoch aber mit aller gebotenen Sorgfalt dokumentiert.
Nachdem alle Besucher die Befunde auf der Grabungsfläche besichtigt hatten, konnten sie auch noch einen ausführlichen Blick auf eine Auswahl von Grabbeigaben werfen, die zwar noch nicht restauriert, aber doch in einem so guten Zustand waren, dass besonders die Bronzegürtelschließen und -anhänger, ein silbernes fein verziertes Medaillon, aber auch die große zerdrückte Bronzeschale und die fein verzierten Tongefäße allgemein Bewunderung für die handwerklichen Fähigkeiten der Franken des 1. Jahrtausends n. Chr. hervorriefen.
Die Führungen dauerten angesichts der vielen Besucher und daraus resultierenden Wechselgruppen, aber vor allem auch aufgrund der zahlreichen interessierten Fragen aus der Menge der Interessierten fast zweieinhalb Stunden, während derer bereits verschiedene Besucher vom Hörfunk zu ihren Eindrücken und Meinungen zu dieser Grabung befragt wurden; die Vertreter der Printmedien mussten sich bis zum Ende der Führungen gedulden, wo ihnen dann aber die Grabungsleitung selbstverständlich noch Rede und Antwort zu den Ausgrabungsarbeiten stand.
Für die Archäologen war es eine besondere Freude, dass auch eine beachtliche Anzahl junger und ganz junger InsheimerInnen gekommen waren und ein reges Interesse an den archäologischen Grabungsbefunden und -funden zeigten. Es ist immer wieder erfreulich zu sehen, dass unser aller Kulturerbe auch in kommenden Generationen noch eine Zukunft hat.
Die Führung auf dem Merowingerfriedhof in Insheim kann insgesamt als eine sehr erfolgreiche und für alle Interessierten sicherlich aufschlussreiche Veranstaltung gewertet werden. Je nach weiterem Ablauf der Grabungsarbeiten und den dabei entdeckten Funden und Befunden darf mit einer weiteren Führung im Laufe der nächsten Monate gerechnet werden.
Die diesem Bericht angefügte Bildergalerie gibt zahlreiche Impressionen von der bei bestem Wetter veranstalteten Führung wieder. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern für ihr großes Interesse und würden uns freuen, sie bei einer weiteren Führung wieder begrüßen zu dürfen.
Andrea Zeeb-Lanz